Eine Hirnwasserableitung besteht aus einem Schlauchsystem aus flexiblem, dehnbarem,  gegen Schlag und Stoß weitgehend unempfindlichem, zwar körperfremdem, aber körperfreundlichem Kunststoff. Das Hirnwasser wird aus den seitlichen Hirnkammern (Ventrikel) entweder in den Bauchraum (Peritoneum) oder den rechten Herzvorhof (Atrium) abgeleitet (drainiert).

Bestandteile der Hirnwasserableitung

Eine Hirnwasserableitung besteht in der Regel aus einem zentralen Katheter, einem Ventil (meist verbunden mit einem Anti-Sog-Schutz) und einem peripheren Katheter.

Zentraler Katheter 

Funktion: Der zentrale Katheter besteht aus einem Kunststoffschlauch von etwa 10-12 cm Länge mit abgerundeter (geschlossener) Spitze. Knapp unterhalb der Spitze sind 20 -30 kleine Löcher eingestanzt. Durch die Abflusslöcher kann das Hirnwasser abfließen. Das äußere Ende des Katheters ist mit einem Ventil verbunden

Ventil 

Das Ventil fängt das Hirnwasser aus dem zentralen Katheter auf und leitet es über in den peripheren Katheter. Es gibt unterschiedliche Ventilarten.

Fragen Sie den Operateur stets nach der Art des Ventils. Lassen Sie sich Informationen über die Besonderheiten des verwendeten Ventiltyps geben. Tragen Sie alle Daten in einen Ventilpass ein.

Funktionen
Wichtige Funktionen des Ventils sind:

  1. Regulierung des Druckes, mit dem Hirnwasser aus den Hirnkammern abfließt. Ventile werden nach dem Druck bei dem Hirnwasser abfließt (Eröffnungsdruck)  bezeichnet als
    „Niederdruck-Ventil“: mit einem Eröffnungsdruck von 0 – 5 cm Wasserdruck
    „Mitteldruck-Ventil”: mit einem Eröffnungsdruck 6 – 10 cm Wasserdruck
    „Hochdruck-Ventil”: mit einem Eröffnungsdruck 11-18 cm Wasserdruck.
  2. Das Ventil lässt die Hirnflüssigkeit nur in einer Richtung abfließen, nämlich vom Gehirn weg. Ein Rückfluss von Flüssigkeit (Hirnwasser, Blut, je nach Ableitung) wird durch das Ventil verhindert.

Anti-Sog-Schutz / Anti-Siphon-Device (ASD) 

Ableitungen des Hirnwassers in den Bauchraum (ventrikulo-peritoneale Hirnwasserableitung) sind in der Regel mit einem Anti-Sog-Schutz (ASD) ausgestattet. Er kann Bestandteil eines Ventils sein oder auch nachträglich in die Hirnwasserableitung eingesetzt werden. Der Anti-Sog-Schutz verhindert eine Überdrainage, d.h. dass zuviel Hirnwasser aus den Hirnkammern abfließt und hierdurch die Hirninnenräume zu eng – zu Schlitzventrikeln – werden. Folge zu enger Hirnkammern ist, dass die Abflusslöcher des zentralen Katheters teilweise oder vollständig verschlossen und das neu gebildete Hirnwasser nicht mehr abfließen kann.

Peripherer Katheter 

Am unteren Ende des Ventils beginnt der „periphere” Katheter. Er kann am Ventil als gesonderter Katheter eingesteckt und befestigt sein, oder auch als Ganzes zusammen mit dem Ventil eingeschweißt verbunden sein.

Möglichkeiten der Ableitung von Hirnwasser

Das Hirnwasser kann abgeleitet werden:
1. in die Blutbahn = ventrikulo-atriale Hirnwasserableitung. Hierbei wird der periphere Katheter über die innere Halsvene in den rechten Herzvorhof vorschoben.
2. in den Bauchraum = ventrikulo-peritoneale Hirnwasserableitung. Bei dieser Hirnwasserableitung wird der periphere Katheter vom Ventil aus unter der Haut bis in den Bauchraum geleitet.

Fragen Sie Ihren (Kinder-)Neurochirurgen: wohin das Hirnwasser abgeleitet wurde: in das Herz oder in den Bauchraum nach dem Ventiltyp (Name des Ventils) der Druckcharakteristik: Nieder- Mittel – Hochdruckventil bei Ableitungen in den Bauchraum: nach der Länge des peripheren Katheters oder nach der Länge des Katheterstückes im Bauchraum Lassen Sie sich in die orientierende Überprüfung der Hirnwasserableitung einweisen. Lassen Sie sich einen Ventilpass ausstellen.

Entfernen einer funktionslosen Hirnwasserableitung?

Eine funktionslose künstliche Hirnwasserableitung oder Teile dieser werden nur entfernt, wenn hierfür schwerwiegende Gründe vorliegen, die einen operativen Eingriff und die hiermit möglicherweise verbundenen Komplikationen rechtfertigen, wie z.B. Zerstörung von Teilen der Hirnwasserableitung, eine Infektion des Shunts, das Durchbrechen von Systemteilen durch die Haut, die sicher nachgewiesene Auslösung von zerebralen Krampfanfällen.

Die Entfernung des Systems oder von Systemanteilen ist nicht angezeigt, wenn eine Hirnwasserableitung (scheinbar) nicht mehr funktioniert oder nicht mehr erforderlich zu sein scheint.
Hierfür sprechen folgende Gründe:

  • Auch scheinbar funktionslose Hirnwasserableitungen (Shunts) können noch Hirnwasser ableiten. Dieses lässt sich zwar mit einigem technischem Aufwand feststellen; mit den erforderlichen Untersuchungen kann ein evtl. noch funktionierendes System jedoch gestört oder zerstört werden – ganz abgesehen von der Belastung des Patienten. Außerdem können Bakterien in das System gelangen, wodurch eine Infektion entstehen kann, die dann zum Entfernen des Systems zwingen würde.
  • Shuntanteile können mit ihrer Umgebung fest verwachsen sein. Bei der Entfernung dieser Anteile können die verwachsenen Gewebeanteile abgerissen werden. Hierdurch können umschriebene Blutungen entstehen, die in/unter der Haut unproblematisch sein mögen, aber bei der Entfernung von Kathetern, die in der Hirnkammer liegen (zentrale Katheter oder Ventrikelkatheter), mit Hirnblutungen verbunden sein können.

Überprüfen der Funktionen

Die Funktion der Hirnwasserableitung wird überprüft,

  • bei Symptomen, die auf einen erhöhten Hirninnendruck hinweisen
  • bei Verdacht auf Störungen an der Hirnwasserableitung

Gesamtfunktion

Bei einer Bauchableitung lässt sich das Hirnwasser als vermehrte Flüssigkeitsansammlung im Unterbauch (Douglas-Raum) durch eine Ultraschall-Untersuchung nachweisen. Ein ähnlicher Nachweis ist bei einer Herzableitung nicht möglich.

Zentraler Katheter 

  • Die Lage des Katheters kann durch eine Röntgen-(CT-, MR-) aufnahme des Kopfes überprüft werden.
  • Wichtig ist die Lage der Katheterspitze. Bei Schlitzventrikeln können die Abflusslöcher so eng von Hirngewebe umschlossen sein, dass Hirnwasser nicht mehr abfließen kann.

Ventil 

Eine Überprüfung sollte nur zu diagnostischen Zwecken erfolgen.
Die unmittelbare Überprüfung des Ventils ist nur möglich beim Spitz-Holter- und Pudenzventil und den verschiedenen Formen dieser Ventiltypen. Beurteilt wird der Druck, mit dem das Ventil eingedrückt werden kann und wie schnell sich das Ventil wieder auffüllt.

Eindrücken der Ventilpumpe

leicht

  • Normale Funktion
  • Lässt sich das Ventil bei Blockierung * des peripheren Katheters leicht eindrücken, ist ein Defekt am Ventil anzunehmen
    * Blockierung: durch festen Druck auf den peripheren Katheter in Höhe des Felsenbeines wird der Katheter zusammengedrückt und so das Abfließen des Hirnwassers kurzfristig unterbunden

erschwert

  • Verdacht auf eine inkomplette Abflussbehinderung im Bereich des peripheren Katheters

nicht möglich

  • Verdacht auf komplette Abflussbehinderung des Hirnwassers im Bereich des peripheren Katheters. Weitere Untersuchungen des >peripheren Katheters sind angezeigt.

Wiederauffüllen der Ventilpumpe
Das Wiederauffüllen der Ventilpumpe erfolgt im Allgemeinen innerhalb von Sekunden bis zu einer Minute. Voraussetzung ist, dass die Löcher, über die das Hirnwasser in den zentralen Katheter einfließt, offen sind und frei im Hirnwasser liegen.

sofort

  • Normale Funktion

verzögert 

  • Verdacht auf unvollständige Abflussbehinderung des Hirnwassers
    a) durch teilweise Verlegung der Abflusslöcher an der Spitze des zentralen Katheters,
    b) durch Anlagerung des Katheters an die Wände einer zu engen Hirnkammer (Schlitzventrikel).

fehlt

  • Verdacht auf erhebliche Abflussbehinderung des Hirnwassers durch vollständige Verlegung der Abflusslöcher
    a) durch Gewebe (des Plexus chorioideus)
    b) durch Anlagerung des Katheters in zu engem Ventrikel,
    c) durch atypische Lage des zentralen Katheters.

Diagnose: Computertomogramm des Schädels zum Ausschluss von Schlitzventrikeln bzw. zur Beurteilung der Lage des Katheters.

Anti-Sog-Schutz (Anti-Siphon-Device, ASD) 

Der Anti-Sog-Schutz ist entweder Bestandteil des Ventils, unmittelbar verbunden oder unterhalb des Ventils ansetzt. Letztere Formen bestehen aus einer kleinen Kammer, die durch eine leicht bewegliche Membran abgedeckt ist.

Tastbefund
Normalbefund

Der ASS ist als flaches, rundes, knopfartiges Gebilde unter der Haut zu tasten
Auffällig ist eine Vorwölbung und/oder pralle Füllung des ASS

Funktion
Zur Überprüfung wird
a) die oben liegende Membran leicht angedrückt (blockiert) und
b) die Ventilpumpe eingedrückt.

Eindrücken der Ventilpumpe bei blockiertem ASD

nicht möglich

  • Intakter Anti-Sog-Schutz

möglich 

  • Verdacht auf defekten Anti-Sog-Schutz

Peripherer Katheter 

Der periphere Katheter ist mit dem unteren Ende des Ventils verbunden. Bei der Ableitung des Hirnwassers ins Herz (ventrikulo-artrialer Shunt) wird er über die Halsvenen in den rechten Vorhof geführt, bei der Ableitung in den Bauchraum (ventrikulo-peritonealer Shunt) erfolgt die Ableitung unter der Haut in die Bauchhöhle.

Überprüfung:
Das Eindrücken des Ventils ist erheblich erschwert oder nicht mehr möglich, wenn der Abfluss des Hirnwassers behindert, der Katheter am unteren Ende verstopft oder abgeknickt) ist. Hingegen lässt sich das Ventil auffallend leicht (fast ohne jeden Widerstand) eindrücken, wenn der Katheter abgerissen ist.