Latex
Latex wird als Bestandteil von Naturkautschuk (Hevea brasiliensis) als “Weichmacher” u.a. bei der Herstellung von Gummi (Luftballons!), Kathetern, Handschuhen, Kondomen, Matratzen, (braunen) Flaschensaugern und Nuckeln verwendet. Besonders zu beachten ist die Latexallergie.
Latexallergie
Abnorme, überschießende (allergische) Reaktion auf Substanzen, die im Naturgummi (Hevea brasiliensis) enthalten sind.
Viele Menschen mit Spina bifida sind von der Latexallergie betroffen. Bei Kindern und Jugendlichen ist durch die konsequente Kontaktvermeidung das Vorkommen der Latexallergie fast völlig verschwunden (nach Erfahrungen der Spina bifida Ambulanz in Mainz).
Wesentliche Ursachen einer Latexallergie
- Operationen mit Latexhandschuhen
- durch wiederholtes/ständiges Verwenden latexhaltiger Materialien bei der täglichen Pflege beim Ausräumen des Darmes mit latexhaltigen Fingerlingen oder Latex-Handschuhen
- Tragen von Latex-Kondomurinalen.
Kontaktmöglichkeiten
- direkter Kontakt mit Haut und Schleimhaut (Bindehäute der Augen, Darmschleimhaut, Nasenschleimhaut),
- direkter Kontakt bei Operationen mit latexhaltigen Operationshandschuhen,
- Latexallergien nehmen mit der Zahl der operativen Eingriffe zu,
- durch Inhalation: die ersten allergischen Reaktionen auf Latex werden bei etwa der Hälfte aller Latexallergiker beim Aufblasen von Luftballons festgestellt; oft reicht auch schon ein entfernter Kontakt mit Latexstaub aus.
- Kreuzallergien (s.u.) sind zu beachten.
Häufige Auslöser im Alltag
Luftballons, Kleber an Briefmarken/Briefumschlägen, Kleber auf Gummibasis, Soda-Streamer, Gummiabdichtung an Schnellkochtöpfen, Zapfanlagen, Thermosflaschen, Sahne aus der Sprühdose, BiFi-Würstchen, Laugengebäck, neue Rollstuhlbereifung, latexhaltige Matratzen, Anti-Rutschmatten, Schwimmflossen, Taucherbrillen, nicht latexfreie Windeln, Gummi-Schwimmreifen, Gummitiere für die Badewanne, Kondome, Urinalkondome. In Metzgereien wird meist mit Latexhandschuhen gearbeitet und bedient.
Kreuzallergie
Allergische Reaktion, die alle Merkmale einer Latexallergie zeigt, die jedoch durch Substanzen ausgelöst wird, die lediglich der chemischen Struktur des Latex ähnlich sind. Hierzu gehören* z.B. Nahrungsbestandteile in Kern- und Steinobst (Apfel, Birne, Pfirsich, Aprikose, Pflaume) ((+)), Ananas (+), Avocado (++), Cashewnüssen, Esskastanien, Bananen (+), Honig- und Wassermelonen (++), Kartoffeln, Kiwi (+), Mango (++), Papaya, rohe Tomaten ((+)) und Walnüsse.
* Erläuterungen: ((+)) möglich, (+) häufig, (++) sehr häufig.
Schweregrade Reaktionstypen
Typ | Reaktionszeit | Symptome |
Typ I: Soforttyp /anaphylaktischer Typ | Sekunden bis Minuten | Anaphylaxie, allergisches Asthma bronchiale, Nesselsucht, Quincke- Ödem, Formen von Atopie |
Typ II: Zytotoxischer Typ | Stunden bis Tage | Veränderungen des Blutbildes (Anämie), Transfusionszwischenfälle |
Typ III: Arthus-Typ | maximale Reaktion nach 6-8Stunden | Allergische Veränderungen an Blutgefäßen, Serumkrankheit |
Typ IV: Spättyp / verzögerterTyp | 12–72 Stunden, Veränderungen an Geweben mindestens 2 Wochen | Kontaktallergie |
Beim Typ I – III kommt es zur allergischen Reaktion durch Antikörper im Blut, die an Immunglobuline (IgE, IgM, IgG) gebunden sind; beim Typ IV reagieren Antikörper, die in Gewebszellen gebunden sind.
Stadieneinteilung
Stadium I | Rötung und Quaddelbildung im Kontaktbereich |
Stadium II | Rötung und Quaddelbildung am ganzen Körper, Schwellung der Augenlider |
Stadium III | wie Stadium II, zusätzlich Schwellung der Schleimhäute des Magens, des Darmes, der Lungen (mit Atemnot) |
Stadium IV | Anaphylaktischer Schock mit oder ohne die Symptome der Stadien I – III |
Symptome
Haut: Rötung, Quaddelbildung.
Schleimhäute: Nase: Niesen, wässriger Schnupfen, verstopfte Nase.
Augen: Augenjucken, Schwellungen der Bindehäute.
Genitale/Gesäß: Rötungen im Bereich der Genitalien (bei Tragen von Windeln mit Latexbestandteilen) können Ausdruck einer Latexallergie sein.
Atemwege: Atembeschwerden, obstruktive Bronchitis, Atemnot, Asthmaanfall.
Magen/Darm: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen. Ausschlag am ganzen Körper nach längerem Ausräumen des Darmes mit einem latexhaltigen Fingerling.
Nervensystem: Schwindel, Unruhe, Kopfschmerzen.
Herz/Kreislauf: Unregelmäßige Herzaktionen, Pulsbeschleunigung, Schüttelfrost-Symptome, Schweißausbruch, Blutdruckabfall.
Ein Zusammenhang zwischen einer regelmäßigen Katheterentleerung und einer Latexallergie besteht seit der Einführung latexfreier Katheter nicht mehr.
Diagnostik
Blutuntersuchung (Blutentnahme nur an sensibel gestörten Hautstellen!): Bestimmung des RAST auf Hevea brasiliensis (mit Angabe der RAST-Klasse). Wegen der Häufigkeit von Reaktionen auf Latex gehört die regelmäßige Blutuntersuchung auf „Hevea brasiliensis“ zur Basisüberwachung.
Maßnahmen
Der beste Schutz ist die Vorbeugung, d.h. auch wenn (noch) keine Latexallergie nachzuweisen ist, sollen grundsätzlich latexfreie Materialien (Handschuhe, Katheter, keine Luftballons, kein Sauger, der Latex enthält) verwendet werden, um eine Sensibilisierung auf Latex zu vermeiden.
Therapie
Akute Luftnot: Sofortige Entfernung des auslösenden Gegenstandes. Behandlung der Luftnot mit Cortison (Spray, Zäpfchen, z.B. Rectodelt ® 100 mg). Ärztliche Beratung, wenn die Luftnot trotz dieser 1. Hilfe-Maßnahme weiter besteht.
Augenjucken: Meist reicht die Beseitigung des allergieauslösenden Gegenstandes aus. Bei starker Schwellung der Augen: Lokalanwendung von Cortison-haltigen Augentropfen/-Salbe bis zum Nachlassen der Symptome.
Hautkomplikationen: Sofortige Entfernung des auslösenden Gegenstandes. Lokalbehandlung mit Corticoid-haltiger Creme.
Allergiepass / Notfallausweis: Eine bestehende Latexallergie muss sichtbar an erster Stelle im Allergiepass, Notfallausweis oder Diagnosenverzeichnis gekennzeichnet sein. Vor jedem operativen Eingriff muss gesondert (am besten schriftlich) auf eine Latexallergie hingewiesen werden.
Latexfreie Operationsräume sind dringend zu fordern.
Notfall:Bei bekannter ausgeprägter Allergie (ab RAST-Klasse 3) müssen Notfallmedikamente bereitgehalten werden.
Anhang: Begriffe
Allergie
(Krankhafte) Überempfindlichkeit auf unterschiedliche natürliche Substanzen (z.B. Pollen, Nahrungsmittel, Latex u.a.) oder chemische Stoffe, z.B. Medikamente.
Ursachen:
- Veranlagung (Disposition). Vgl. Allergierisiko.
- Kontakt mit allergisierenden Substanzen durch Einatmen, Einnahme von Medikamenten (z.B. von Antibiotika) über einen längeren Zeitraum, durch Hautkontakt, den Gebrauch von Fingerlingen, von Kathetern, die Latex enthalten, Blutkontakt (Operationen).
Wichtige Allergien: Latexallergie, Äthylenoxyd-Allergie. Nachweis: Allergietestung, Antikörpernachweis im Blut.
Allergisierung
Empfindlich werden auf eine Substanz. Z.B. Luftballons tragen zur Allergisierung gegen Latex bei. Allergietestung (auch: Allergentestung). Bestimmung des Grades der (krankhaften) Empfindlichkeit des Körpers auf Fremdstoffe.
Eine Allergietestung ist möglich:
1) An der Haut:
- durch Auftragen einer Testsubstanz auf die Haut = Epikutantestung,
- durch Auftragen von Testsubstanzen auf die Haut nach oberflächlicher Ritzung = Pricktest,
- durch Einspritzen einer gelösten und verdünnten Testsubstanz in die Haut = Intrakutantest.
2) Einbringen einer Testlösung in die Bindehaut des Auges.
3) durch eine Blutuntersuchung: hierbei sind Antikörper auf im Blut vorhandene Allergene nachzuweisen (vgl. RAST). Häufig gesuchte (und gefundene) Antikörper bei Spina bifida und Hydrozephalus sind Latex und Etilenoxid.
Allergierisiko
Das Risiko, an einer Allergie zu erkranken. Das Allergierisiko wird bestimmt von angeborenen (genetischen) und umweltbedingten Faktoren. Das umweltbedingte Risiko wird wesentlich beeinflusst durch regelmäßigen Kontakt mit Substanzen, die Allergien auslösen (Allergenen).
Vorbeugende Maßnahmen:
Latexfreie Operationssäle, vor allem keine Latexhandschuhe (mit Latexpuder behandelte Handschuhe) bei Operationen.
Vermeidung des Kontaktes mit Substanzen, von denen bekannt ist, dass sie eine Latexallergie auslösen oder verstärken (Allergenkarenz).
Möglichst langes Stillen, Ernährung mit hypoallergener Kost.
Anaphylaxie
Akute allergische Allgemeinreaktion (vgl. Allergie, Typen).
anaphylaktisch
Zu einer Anaphylaxie gehörend, z.B. eine anaphylaktische Reaktion (Nesselsucht, Hautrötung, Blutdruckabfall usw.).
anaphylaktische Reaktion
Schwere allergische Allgemeinreaktion. Auslöser (= Antigene) sind z.B. körperfremde Eiweiße (z.B. Impfstoffe, Insektengifte, Blut), Latex, Arzneimittel, natürlich vorkommende Antigene (Pollen, Naturgummi), seltener (aber vorkommend): Nahrungsmittel (z.B. Nüsse). Symptome: Hautrötungen, Nesselsucht, allergischer Schnupfen, Bindehautentzündung, akute Luftnot, Schwindel, Erbrechen, Blutdruckabfall, (anaphylaktischer) Schock. Vorkommen: vor allem bei Personen mit hohen Blutwerten des Immunglobulins E (IgE). Therapie: Eine anaphylaktische Reaktion ist ein Notfall, der in der Regel eine sofortige klinische Einweisung (Klinomobil) erfordert. Bis zum Eintreffen ärztlicher Hilfe müssen – je nach Heftigkeit der zu erwartenden Reaktion – spezielle Medikamente bereitgehalten werden.
Kommentar: Eine anaphylaktische Reaktion tritt nur ausnahmsweise unerwartet auf. In der Regel ist Art und Ausmaß von allergischen Reaktionen bekannt. Hiernach muss sich die individuelle Notfall- Ausstattung richten.
Schock
Schwere Form einer anaphylaktischen Reaktion mit Beeinträchtigung des Herz-/Blutkreislaufes, der Lungenfunktion, des Bewusstseins. Der anaphylaktische Schock ist immer ein Notfall, der möglichst schnell (Klinomobil!) intensivmedizinische Maßnahmen erfordert.